So klingt Irish-Bayrisch

Ein musikalisches Erlebnis vom 21. Oktober 2015 im Schlachthof in München

Auftakt

„Wir spielen B-Tonarten, die spielen Kreuztonarten. Das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen.“ Das sagt einer, der weiß, wovon er spricht: Siegi Mühlbauer. Und genau das ist es, was mich heute Abend hierher führt. Ich bin gespannt, wie es klingt, wenn die bayrischen Musik-Kabarettisten von Da Huawa, da Meier und I und die traditionelle irische Band Na Ciotogi ihre erste gemeinsame CD präsentieren. Diese trägt natürlich den Titel Irish-Bayrisch.

Gemeinsam auf der Bühne stehen sie bereits seit November 2005: Christian Maier (da Huawa), Matthias Meier (da Meier) und Siegi Mühlbauer (I) von Da Huawa, da Meier und I und Timmy „The Brit“ McCarthy, sein Sohn Tony McCarthy, Peter Corbett, Eoin O’Riabhaigh und David McMahon von Na Ciotogi. Na Ciotogi ist Irisch und bedeutet „die Linkshänder“. Diesen Namen gaben sich die Gründungsmitglieder der Band, da sie alle bevorzugt ihre linke Hand nutzen.

Zusammen fanden die acht Musiker durch einen glücklichen Zufall: David, der in Niederbayern lebt, lernte Christian bei einer Chorprobe kennen. Somit konnte die lang gehegte Idee von Timmy und David, ein irisch-bayrisches Musikprojekt auf die Beine zu stellen, endlich Wirklichkeit werden. Heute blicken die beiden Gruppen auf ein Jahrzehnt gemeinsamer Konzerte zurück, auf denen sie irische und bayrische Volksmusik verschmolzen und sich damit in die Herzen ihres Publikums gespielt haben.

Auf geht’s

Das Konzert beginnt. Die Uilleann Pipes füllen den Raum mit einem Hauch irischer Magie. Es klingt wie Nebel, der langsam vom Boden emporsteigt. Durch diesen hindurch dringt dreistimmiger bayrischer Gesang: „Jessas Leit, heit gibt’s a Musi …“ Die perfekte Einstimmung auf einen fröhlichen Musikabend. Schnell finden die unterschiedlichen Instrumente zusammen und verbinden sich zu einem Stil, der authentisch und harmonisch zugleich ist. Dabei wirbeln die lebhaften irischen Klänge den soliden bayrischen Rhythmus ordentlich durcheinander. Der ungebremste Spaß an der Musik wird sowohl hör- als auch spürbar.

Die acht Musiker von Da Huawa, da Meier und I und Na Ciotogi stehen und sitzen auf der Bühne und spielen ein Irish-Bayrisch Lied
Irish-Bayrisch auf der Bühne (Foto: Tim Kalbitzer)

Dass Irish-Bayrisch ein Herzensprojekt der Band ist, so wie Christian Maier zur Begrüßung erklärt, merkt man sofort. Er bereitet uns darauf vor, dass wir im Laufe des Abends einige Gemeinsamkeiten zwischen Irland und Bayern kennenlernen werden, die sich in der Musik widerspiegeln. Doch bevor es weitergeht, muss erst noch ein Integrationstest abgelegt werden. Die Linkshänder fangen an und beweisen, dass sie mit einigen bayrischen Redewendungen vertraut sind: „Grias Eich!“ „Ho-ho-hobe die Ehre!“ „Servus, I bin da Tony!“ „Do bin i dahoam.“ „Ja, wos douts’n ihr dou?“ Auch Da Huawa, da Meier und I haben ihre Hausaufgaben gemacht und begrüßen das Publikum auf Irisch mit „Fáilte“ und „Dia dhuit“. Aus „póg mo thóin“ wird kurzerhand ein bayrisches „Pack ma’s an“. Das ist Menglisch. Meier-Englisch.

Drei Gemeinsamkeiten

Bereits im zweiten Lied lernen wir eine erste Gemeinsamkeit kennen: Bier. Das überrascht mich in der Tat überhaupt nicht. Zu oft habe ich selbst erfahren, wie gerne sowohl irisches als auch bayrisches Bier genossen wird. Und das nicht nur in der jeweiligen Heimat, sondern auf der ganzen Welt. Diese grenzenlose Leidenschaft wird mit dem Stück ’s boarische Bier von Roider Jackl zelebriert. Die Irish-Bayrisch-Variante des Liedes lehrt uns anschaulich einen Unterschied zwischen der irischen und der bayrischen Musik, der in der geografischen Lage begründet ist. Irland ist eine Insel und immer in Bewegung. Es schwingt und wird vom 6/8 Takt charakterisiert. Bayern dagegen liegt mitten auf dem europäischen Kontinent. Es ist gefestigter und gekennzeichnet durch den 3/4 Takt. Wer Bruchrechnen kann, der wird feststellen, dass es einen gemeinsamen Nenner gibt. „Sláinte!“ „Prost!“

Eine zweite Gemeinsamkeit zwischen Irland und Bayern ist eine eigene Sprache. (Strenggenommen ist Bayrisch natürlich ein Dialekt, aber wer will an so einem Abend schon allzu streng sein?) David erzählt, dass Gälisch, wozu auch Irisch zählt, die älteste noch gesprochene Sprache in Europa ist. Etwa 6% der Bevölkerung in Irland spricht sie. Um beide Sprachen zu würdigen, haben sich die acht Musiker das irische Volkslied An Poc ar Buile ausgesucht. „Poc“ heißt auf Bayrisch „Goaßbock“ und „Buile“ „damisch“. Es geht also um einen verrückten Geißbock. David singt den irischen Originaltext und Christian übersetzt nach jeder Strophe wortwörtlich ins Bayrische. Einzige Ausnahme: Altötting, was laut Christian in der Nähe von Dublin liegt. Das erscheint einem nach einigen Takten Irish-Bayrisch auch gar nicht mehr so absurd. „Halleluja, wos sogst do?“

Die Landwirtschaft ist eine dritte Gemeinsamkeit. Und da Landwirte angeblich so gerne jammern, ist der Stil für das nächste Lied besonders naheliegend: Der Blues, in dem ja grundsätzlich auch immer gejammert wird. Der Bauern Blues, in dem die Verbundenheit der Landwirte zu ihren Traktoren so humorvoll besungen wird, ist für die Vertonung dieses Phänomens somit bestens geeignet. Wunderbar bluesig eröffnen die Uilleann Pipes. Dann steigt die Trompete ein. Beide Instrumente liefern sich ein leidenschaftliches Call and Response und legen die Vermutung nahe, dass der Blues auf der grünen Insel unter weiß-blauem Himmel entstanden ist.

Sehnsucht

Wunderbar irisch-melancholisch ist Passage West, ein Lied von John Spillane über die gleichnamige Hafenstadt in der Nähe von Cork. Es ist den Menschen gewidmet, die Irland verlassen haben und sich nach ihrer Heimat sehnen. Nach ein paar Klängen trägt es auch mich fort und ich verspüre Sehnsucht. Die verspielte Flöte zeichnet vor meinem inneren Auge ein Bild. Ich stehe am Meer. Die Luft ist frisch und es weht eine sanfte Brise. Durch den blauen Himmel ziehen große weiße und hellgraue Wolken. Wellen schlagen beständig gegen die grauen Klippen. Das Gras der Wiesen leuchtet in kräftigem Grün. Über mir ziehen Möwen ihre Kreise. Ein Schiff läuft aus. Menschen winken. Ein Mann sitzt vor einem weißen Haus, spielt auf einem Saiteninstrument und singt. Dann höre ich Bläser, die den Gesang wunderbar sanft umspielen. Es klingt wie ein Abschiedsgruß aus den fernen bayrischen Alpen, der vom Wind an die irische Südküste getragen wird. Ich spüre gleichzeitig Fern- und Heimweh. Ich sehne mich nach Irland und dem Meer. Ich fühle die Vertrautheit von Bayern und den Bergen. Ich frage mich, wo ich mich mehr zu Hause fühle. Es ist ein Gefühl, dass wunderbar und sonderbar zugleich ist. Ich denke an meine Tochter. Was wird sie fühlen, sollte sie eines Tages dieses Lied hören? Für mich ist Passage West das schönste Lied des Abends, weil es so viele Emotionen in mir hervorruft.

Die Mischung macht’s

Viel Lebensfreude steckt in Duwackl. Es ist ein Lied über die Leidenschaft des Schnupfens von Tabak. „Duwackl“ bzw. „Duwaggl“ nennt man im Bayrischen Wald den Schnupftabak, was mir Anthony Rowley netterweise nach dem Konzert im Internet erklärt. Das Stück ist eine herrliche Mischung von irischer und bayrischer Musik. Hier können sich die verschiedenen Instrumente voll und ganz ausleben. Fröhlich tanzen sie miteinander. Der Takt wechselt rasch von 2/4 zu 3/4 und wieder zurück. Die Uilleann Pipes, die an diesem Abend zu meinem Lieblingsinstrument avancieren, verbinden geschickt die verschiedenen Rhythmus- und Stilwechsel. Das Publikum klatscht und schunkelt als gäbe es kein Morgen mehr. Ich weiß nicht mehr, ob ich in einem irischen Pub oder in einem bayrischen Wirtshaus sitze. Da Huawa, da Meier und I versuchen mit ihrem ureigenen Humor, etwas Ordnung ins Schunkeln zu bekommen, weil in Europa ja alles geregelt sein muss. Am meisten Spaß macht es allerdings, wenn es kreuz und quer geht.

Ein Tipp

Vor dem allerletzten Lied des Abends gibt Christian Maier allen, die nach Irland fahren wollen, noch einen Tipp: Nicht nach Hause gehen, wenn das Pub zusperrt. Einfach sitzen bleiben. Dann kommt man zwar nicht mehr raus, aber dafür ist man drin und kann etwas sehr Besonderes erleben, was so ähnlich klingt, wie die folgende Zugabe. Und so stehen am Ende des Konzerts acht Freunde Arm in Arm auf der Bühne und singen inbrünstig und ohne Mikrofon The Auld Triangle.

Da Huawa, da Meier und I und Na Ciotogi stehen Arm in Arm hinter dem Schlagzeug und singen The Auld Triangle
Irish-Bayrisch singen The Auld Triangle (Foto: Tim Kalbitzer)

Für mich könnte es noch stundenlang so weitergehen. Wie damals auf der irisch-bayrischen Hochzeit. Ich würde mich am liebsten einfach von den Wogen der Musik und der Fröhlichkeit forttreiben lassen. Wie gut Irland und Bayern musikalisch harmonieren, konnte ich an diesem äußerst unterhaltsamen und abwechslungsreichen Abend hautnah erleben.

Neben den hier erwähnten Liedern gab es auf dem Konzert noch viele weitere, wunderbare Stücke Musik. Ich habe mich in diesem Beitrag allerdings auf diejenigen beschränkt, die mir ganz besonders an mein irisch-bayrisches Herz gewachsen sind. Solltest Du jetzt neugierig geworden sein, wie Irish-Bayrisch klingt, dann besuche eines der nächsten gemeinsamen Konzerte von Da Huawa, da Meier und I und Na Ciotogi. Wenn Du nicht so lange warten willst, dann höre Dir ihre gemeinsame CD an. Check it out! Oder wie da Meier sagen würde: Jacket out! Jacke aus!

2 Gedanken zu „So klingt Irish-Bayrisch“

  1. I just wanted to thank Tim for his kind words and wonderful report of our Bayrisch Irish gig in Munich’s Wirtshaus am Schlacthof. It’s always an absolute pleasure and honour for us to play together with our Bavarian brothers – Christian, Matthias and Siegi aka da Huawa, da Meier und i. What we do together is something very special to each of us and we love and respect it from deep within! We always get fantastic feedback from our audiences because they feel what is on our minds and in our hearts but to get such a report and feedback is a wonderful confirmation of what we are about. Go raibh mile maith agat agus go n-eírí an bóthar leat a Taigh.

    Daithi MacMathuna

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